Krebs durch Dieselkraftfahrzeuge

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High-Tech-Diesel
Gefahr durch Rußpartikel

Ein Diesel - sein Image früher: lahm und laut, ein Antrieb fürs Grobe. Sein Image heute: modern, spritzig, sparsam. High-Tech-Aggregate haben mit den alten Vorurteilen aufgeräumt und dem Selbstzünder zu einem Quantensprung verholfen. Mit Macht drängt der Diesel in gehobene Fahrzeugklassen vor. TDI, CDI, HDI - diese Kürzel stehen für die neueste Generation.

Sie sind nicht nur sparsam, sondern - so sagen die Hersteller - auch schadstoffarm. Doch genau hier gibt es Zweifel. Denn: Wissenschaftler schlagen Alarm. Sie halten die potenten Selbstzünder für tickende Zeitbomben. Der Grund: Der Ruß aus dem Auspuff moderner Diesel steht in Verdacht, ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko zu sein. Zündstoff geben dieser Vermutung neue Untersuchungen, so zum Beispiel des Umweltbundesamtes in Berlin. Das wichtigste Ergebnis:

Stefan Rodt, Umweltbundesamt:
"Der wesentliche Punkt ist, dass auch bei den heutigen Motorkonzepten das krebserzeugende Wirkungspotential von Dieselabgas cirka 20 bis 30 Mal höher ist, als bei Ottomotorabgas. Das heißt, dass das Risiko, an Krebs zu erkranken, wenn ein Mensch über längere Zeit diesem Abgas ausgesetzt ist, um 20 bis 30 Mal höher ist, als unter gleichen Bedingungen mit Otto-Motor-Abgas."

Als Ursache dafür gelten mikroskopisch kleine Rußpartikel. Zwar erzeugen moderne Turbodiesel von der maße her weniger Abgas als ältere Konstruktionen. Für die Anzahl der Feinpartikel gilt das aber offenbar nicht. Mediziner halten diese Rußwinzlinge in der Luft für höchst gefährlich.

Prof. Uwe Heinrich, Fraunhofer Institut Toxikologie und Aerosolforschung:
"Diese ultrafeinen Partikel haben eine besondere Wirkungsqualität, sie bleiben nach der Inhalation zu einem Prozentsatz von 50 bis 60 Prozent in den sehr tiefen Lungenabschnitten. Es gibt experimentelle Hinweise, dass besonders vorgeschädigte Organe auf solche ultrafeinen Partikel reagieren."

Vor allem im Gesundheitsland USA regt sich Widerstand. Wissenschaftler warnen hier sogar vor dem "Teufel im Diesel". Eine Untersuchung ergab, dass rund 60.000 Amerikaner Jahr für Jahr an der Überdosis feiner Partikel in der Luft sterben. Und dabei gilt der Diesel als Hauptlieferant. Eine wichtige Erkenntnis dabei ist, dass die Rußkrümel nicht nur Krebs verursachen.

Prof. H.-Erich Wichmann, GSF-Institut für Epidemiologie, Universität München:
"Es ist so, dass Patienten mit Atemwegserkrankungen und Herzkreislauferkrankungen an Tagen mit hohen Partikelkonzentrationen eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes haben, ja sogar, dass Personen, denen es besonders schlecht geht, versterben können."

Autobauer in Europa könnten durch diese Erkenntnisse in die Klemme geraten. Denn der Diesel gilt hier - anders als in den USA - als Schlüsseltechnik für die Energiesparerfolge der kommenden Jahre. Einige Hersteller haben bereits reagiert, zum Beispiel Ford.
Im brandneuen werkseigenen Forschungszentrum in Aachen sind Forscher den Abgasen ihrer Autoflotte auf der Spur. Mit modernster Technik sucht man nach Methoden, Abgaspartikel realitätsnah zu überprüfen. Denn: noch immer ist nicht zweifelsfrei geklärt, ob die Größe der Partikel oder ihre Anzahl für Gesundheitsschäden verantwortlich ist. Fest steht: gegenwärtig können nur spezielle Rußfilter Dieselabgas wirkungsvoll entschärfen.

Der erste serienreife Erfolg für den Einsatz in Diesel-Pkw kommt diesmal aus Frankreich. Der PSA-Konzern Peugeot Citroen hat das so genannte FAP-System entwickelt. Die aufwendige Anlage hält den Mikrodreck zurück, wie die Filtertüte den Kaffeesatz. Dank dieser Technik geht der Partikelausstoss gegen Null. Nächstes Jahr kommt der Filter auf den Markt. Die Wirkungsweise des FAP-Systems hat der PSA-Konzern dem Südwestrundfunk in einem Gespräch erläutert.

Trotzdem halten sich fast alle Autobauer mit der teuren Technik noch zurück. Der Grund: Einige Dieselmodelle der neuesten Generation erfüllen auch ohne Filter schon heute die ab kommenden Jahr geltende gesetzliche Abgasnorm Euro 3. Hier werden Schadstoffe wie bisher auch in Gramm pro Kilometer ermittelt, also gewogen. Das heißt: Die ultrafeinen Rußkrümel werden bei dieser Methode schlicht ignoriert, denn sie sind für die Waage zu leicht. Fachleute kritisieren die Schadstoffbestimmung als nicht mehr zeitgerecht. Selbst Mitglieder im Europäischen Parlament wollen das ändern.

Bernd Lange, SPD, MdEP:
"Offenbar ist es klar, dass gerade die ultrafeinen Partikel potentiell Krebs erregend sind, auch wahrscheinlich rein mechanisch. Da muss man was tun, deswegen haben wir in der Gesetzgebung auch eine Revisionsklausel drin. Und wenn wir auch deutliche Werte haben, welche Größe anzunehmen ist, dann wollen wir auch eine Revision durchführen, dass nicht nur die maße, sondern auch die Anzahl der Partikel Gegenstand der Gesetzgebung wird."

Wann das sein wird, steht noch in den Sternen. Deshalb meint der ARD Ratgeber: Im Interesse der Gesundheit sind schnellstens gesetzliche Regelungen nötig, die Rußfilter bei allen Dieselkraftfahrzeugen zur Pflicht machen. Erst dann steht dem Siegeszug des Diesels auch in Puncto Umweltverträglichkeit nichts mehr im Weg.

© Südwestrundfunk 2001



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